Quartier Lokrichthalle Trier

Quartier Lokrichthalle
freiraumplanerischer Wettbewerb

Ort: Trier (D)
Preis: 1.Preis
Datum: Dezember 2022
Auslobung:TW Project Bau und Management GmbH, Trier

Die Stadt Trier, die durch ihre Tallage an der Mosel und die Nähe zu waldreichen Gebirgszügen besticht, hat sich die Reaktivierung der Lokrichthalle und Neustrukturierung des Umfelds im Westen der Stadt zur Aufgabe gemacht. Die über 100 Jahre alte Lokrichthalle des ehemaligen Eisenbahnausbesserungswerks von Ernst Spiro ist eines der bedeutendsten Industriedenkmäler der Stadt. Sie diente lange Zeit der Herrichtung und Ausbesserung von Dampflokomotiven. Seit 1986 stand die Lokrichthalle leer und verlor als Brachfläche an Bedeutung innerhalb der Stadtstruktur. Für viele Menschen ist dieses Industriedenkmal jedoch ein wichtiger Teil der Stadt und ihrer Geschichte.

Durch das Bauvorhaben, das die historische Fassade der Halle Instand setzt und hier ein Quartier mit zeitgemäßer, gemischter Nutzung unterbringt, soll die charakterbildende und städtebauliche Dominanz der Halle wiederhergestellt werden. Gleichzeitig entsteht großes Potential qualitative Freiräume mit besonderer Identität entstehen zu lassen.

KONZEPT UND LEITBILD

Das neue Quartier an der Lokrichthalle schafft ein städtebauliches Zentrum in der Weststadt mit Verknüpfungen an die bestehenden Strukturen.  Durch die Ergänzung neuer Wohnquartiere mit hybrider Nutzungsdurchmischung in den Erdgeschosszonen sowie der Formulierung eines Grünzuges, der die Freiraumverbunde der Waldhänge und Mosel miteinander verbindet, wird das Viertel belebt und gestärkt.

Die vorhandenen Gegebenheiten bieten das Potential ein Wohnquartier mit besonderer Identität und Charakter entstehen zu lassen. Das Konzept schafft Raumbilder mit unterschiedlichen Freiraumtypologien, die den historischen Charakter des Industriedenkmals gestalterisch aufgreifen und dadurch im Bewusstsein halten. Die Freiraumtypologien gliedern sich von Süd nach Nord in den zentralen Vorplatz – die „Lokbühne“, das hybrid genutzte „Weichenquartier“ innerhalb der Lokrichthalle sowie den Grünzug „Gleisbogenpark“.

Durch die den bewussten Einsatz von Bäumen als volumenbildende Raumkanten wird die Lokrichthalle im Süden und Norden gesäumt und über Sichtbeziehungen von den wichtigen Hauptverbindungen in den Fokus gerückt. Durch die Raumgestaltung werden wichtige Laufachsen geschaffen und gleichzeitig an mehreren Stellen Raum für längeren Aufenthalt geschaffen.

LOKBÜHNE

Der zentrale Vorplatz im Süden bildet die städtische Bühne des Quartiers. Hier entsteht eine große Platzfläche aus großformatigen Beton- oder Natursteinplatten, die die neuen raumbildenden Gebäude wie die Lokrichthalle, das Hotel und das Micro-Living miteinander verbindet, indem die Platzgestalt als Intarsie bis an die Fassaden heranführt. Die Platzfläche selbst orientiert sich formal an der ursprünglichen Aufstellung der Loks und wird durch drei Elemente differenziert, die für unterschiedliche Atmosphären sorgen.

Im räumlichen Zusammenhang zur historischen Fassade schaffen große Wasserelemente unterschiedliche Situationen und tragen zur Belebung des Platzes und Wahrnehmung der Lokrichthalle bei. Durch integrierte Wasserinstallationen wird die nördliche Platzfläche unter Wasser gesetzt und bildet so einen Spiegel für die historische Fassade. Nach einiger Zeit geht der Wasserspiegel zurück, aus den Düsen beginnt ein dichter Wassernebel zu sprühen und erinnert an den Dampf der historischen Lokomotiven. Zuletzt geht der Wassernebel in Fontänen über und der Kreislauf beginnt von neuem. Das Wasserelement bietet einen besonderen Erlebnis- und Spielwert und steigert durch die unterschiedlichen Situationen die Anziehungskraft des Ortes. Dazu verbessert das Wasserelement das Mikroklima und trägt an heißen Sommertagen zu einer angenehmen Verdunstung bei. Durch Abschalten der Funktion als Wasserinstallation kann die gesamte Fläche als Veranstaltungs- und Marktfläche genutzt werden.

Die südliche Raumkante hingegen wird durch einen raumbildenden Baumhain aus z. B. klimaresilienten Schnurbäumen (Sophora japonica) betont und bildet den Abschluss der Platzfläche. Der Schnurbaum schafft mit seiner lichten Krone einen wohltuenden verschatteten Aufenthaltsbereich. Durch eine lockere Anordnung der mehrstämmigen Gehölze entsteht ein atmosphärischer Hain, in dem die Lok als zentrales Element verortet wird. Hier entsteht ein Kontrast zwischen den natürlichen Elementen und der Lok als Denkmal der Industriekultur. Die Fläche unter dem Baumhain wird als wassergebundene Wegedecke gestaltet und kann beispielsweise mit informellen Sitzmöglichkeiten ausgestattet werden und lockert so die steinerne Platzfläche der Lokbühne auf. Kleine Spielgeräte und die Möglichkeit Boule zu spielen, locken unterschiedliche Altersgruppen zum Aufenthalt an.

Wie ein Code verweben die Lokgärten den Baumhain mit der Wasserinstallation. Sie bilden einen ökologischen Trittstein auf der Platzfläche und bieten durch viele Sitzelemente Möglichkeiten zum Verweilen. Die Sitzelemente greifen das Bodenmaterial auf und werden mit eingelassenen Holzauflagen staffiert.

Die neue Planstraße „An der Lokrichthalle“ wird mit einem geschwindigkeitsreduzierten Verkehrskonzept über die Platzfläche geführt. Durch Aufpflasterungen im Bereich der Platzfläche wird der Individualverkehr haptisch auf die Platzfläche geführt, währenddessen Fahrbahnnägel visuell die Fahrbahn markieren.

Aufgrund einer qualitativen und zeitgemäßen Platzgestaltung wird der Individualverkehr konzeptionell vom zentralen Platz herausgenommen. Optional können Außenstellplätze auf dem Vorplatz am Micro-Living angeordnet werden, indem die Zonierung der Elemente in Bezug auf die Breite angepasst wird und dadurch an der südlichen Platzkante Raum für Parkstände entsteht. Falls ein Nahversorger im EG des Micro-Living eingerichtet werden sollte, können auch die Gräserpflanzungen und Fahrradständer zugunsten der Aufstellflächen für den Nahversorger und der Parkflächen entfallen.

WEICHENQUARTIER

Die Freiräume im Quartier innerhalb der Lokrichthalle sind in ihrer Gestaltung von der ehemaligen Nutzung inspiriert. In den größeren Zwischenräumen entsteht ein ruderaler Charakter durch die Kombination von Streifen aus Pflastersteinen und Rasenfugenpflaster, säumenden Gräserpflanzungen und vereinzelten Pioniergehölzen wie bspw.  Schmetterlingssträuchern (Buddleja davidii). Der Bodenbelag greift in der Formensprache subtil das Bild von Weichen und Gleisen auf und integriert dabei elegant Sitzelemente und Spielstationen für Kleinkinder. Auch die Feuerwehraufstellflächen können mit der Konzeption wie geplant eingerichtet werden. Die Räume fungieren als grüne Aufenthaltsbereiche und vernetzen das Quartier.

Auf den gemeinschaftlichen und privaten Dachflächen wird das Gestaltungsprinzip der Gleise und Weichen invertiert. So entstehen verbindende Wege und raumbildende Streifen mit intensiver Bepflanzung. Durch die Ausgestaltung einzelner Flächen zu Holzdecks oder befestigten Flächen entstehen kleine Aufenthaltsräume, die Sitzgruppen, Hängematten, Grillbereiche oder andere Nutzungen beherbergen können.

Das Gestaltungsprinzip ist sehr flexibel und bietet das Potential optimal an die noch folgenden Grundrisse angepasst zu werden (Verortung von Terrassen, Hauszugängen, Feuerwehraufstellflächen, Unterflursystemen).

GLEISBOGENPARK

Den nördlichen Abschluss des Quartiers bildet der Gleisbogenpark, der zukünftig als Grünzug die umliegenden Freiraumsysteme miteinander verbindet und für die gesamte Weststadt einen neuen zentralen Freiraum bietet. Der Park, dessen Wegestrukturen an die historische Nutzung erinnern lassen, wird in drei Bereiche unterteilt. Die Flächen nahe der Lokrichthalle werden als gemeinschaftliche Spiel- und (Sport)flächen ausgewiesen, auch der Außenbereich für die Kindertagesstätte wird nahe der Lokrichthalle verortet. Anschließend wird der Raum zunehmend extensiver und kann ferner für freies Spiel und als Liegewiese genutzt werden. Ein dichter werdender Gehölzrand bildet den nördlichen Abschluss des Grünzuges, sodass sich der Raum zu den wichtigen Strukturen hin öffnet.

Das Quartier an der Lokrichthalle erhält durch das Konzept innovative, identitätsstiftende Freiräume, die zum Erhalt des historischen Charakters beitragen. Wichtige vernetzende Strukturen werden erkannt und durch gezielte, raumbildende Maßnahmen hervorgehoben. Das Wasserelement wird im Konzept auf besondere Art und Weise inszeniert und steht im Dialog mit der Fassade und der historischen Lok. Zudem sind die Gestaltungsprinzipien so flexibel, dass sie im weiteren Verlauf auf Planänderungen und zusätzliche Anforderungen angepasst werden können.  Mit diesem Konzept werden städtische Strukturen gefördert und innerhalb der Weststadt neue qualitative Freiräume entstehen.